Qualifikationen
Qualifikationsnachweise für Sachverständige gibt es einem nicht mehr überschaubaren Umfang. Die Qualifikationen reichen von der öffentlichen Bestellung und Vereidigung über Personenzertifizierungen nach DIN EN ISO 17024 und Diplom-Sachverständiger bis zum verbandsgeprüften oder freien Sachverständigen. Die Einordnung der unterschiedlichen Qualifikationen ist im normalen Alltag kaum noch möglich.
Dies liegt vor allem daran, dass der Begriff "Sachverständiger" oder "Gutachter" in Deutschland nicht geschützt ist. Die Verwendung der Bezeichnung steht grundsätzlich jedem offen. Zwar darf im Rahmen der Prüfung eines unlauteren Wettbewerbs der Sachverständigenbegriff nicht in einer unzulässigen Weise verwendet werden. Vor dem Hintergrund, dass der Nachweis von Unkundigen jedoch regelmäßig nicht und oder nur mit erheblichem prozessualen Aufwand erbracht werden kann, wird von der Sachverständigenbezeichnung auch ein reger Gebrauch gemacht, insbesondere in Bereichen von hoher wirtschaftlicher oder sozialer Bedeutung. (hierzu insbesondere auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.02.1997 - I ZR 234/94)
Öffentliche Bestellung und Vereidigung
Um diesem Sachverhalt zu begegnen und den Gerichten, der Wirtschaft und der Allgemeinheit Sachverständige mit besonderer Sachkunde und Unparteilichkeit zur Verfügung zu stellen, werden die Industrie- und Handelskammern sowie die Ingenieur-, Architekten-, Landwirtschafts- und Handwerkskammern mit der Aufgabe betraut, Sachverständige in bestimmten Sachgebieten öffentlich zu bestellen und zu vereidigen.
Die Vorgehensweise ist gesetzlich geregelt und findet ihre Grundlage in den §§36 und 36a der Gewerbeordnung (GewO). Zum Nachweis der besonderen Sachkunde sind vorerst eine Übersicht über bereits geleistete erfolgreiche Sachverständigentätigkeiten und sonstige Fortbildungsnachweise vorzulegen sowie mehrere Mustergutachten einzureichen.
Reichen diese zum Nachweis der besonderen Sachkunde nicht aus (Regelfall), kann eine anschließende Prüfung vor einem unabhängigen Sachverständigengremium ablegt werden, das eine entsprechende Empfehlung ausspricht.
Der Bestellungsakt selbst erfolgt jedoch erst nach Anhörung des Sachverständigengremiums und unabhängiger Prüfung der Bestellungsvoraussetzungen durch die Kammern in einem förmlichen und gerichtlich anfechtbaren Verwaltungsverfahren. Die öffentliche Bestellung und Vereidigung ist seit dem Jahr 2002 regelmäßig auf die Dauer von 5 Jahren befristet. Anschließende Verlängerungen der befristeten öffentlichen Bestellung und Vereidigung müssen erneut beantragt werden.
Bestellungsgrundlagen, Sachverständigenverzeichnis und weitere Informationen
DIN EN ISO 17024
Durch die europaweite Einführung von Akkreditierungsstellen zur Harmonisierung europäischer Standards im Bereich von Waren und Dienstleistungen können jedoch auch Zertifizierungsstellen gemäß den nicht gesetzlich geregelten DIN EN ISO 17024 akkreditiert werden. In Deutschland übernimmt diese Aufgabe die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) GmbH, deren Gesellschafter sich aus der Bundesrepublik Deutschland, den Bundesländern sowie dem Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. als Interessenvertreter zusammensetzen. Im Bereich der Immobilienbewertung entwickeln die Zertifizierungsstellen in eigener Verantwortung ein Zertifizierungsprogramm (Prüfungsordnung, Prüfstoffverzeichnis, Zulassungsvoraussetzungen), dessen Einhaltung von der Akkreditierungsstelle durch angestellte oder vertraglich gebundene Gutachter auditiert (überwacht) wird. - auch hier gilt: der Begriff Gutachter ist nicht geschützt - Im Vordergrund der Auditierung stehen die Unparteilichkeit, Transparenz, Objektivität und Vergleichbarkeit von Zertifizierungsprüfungen.
Die letztendliche Zertifizierung von Personen ist wiederum eine Maßnahme, mit der durch die Zertifizierungsstelle bestätigt wird, dass die zertifizierte Person die Anforderungen des Zertifizierungsprogramms erfüllt.
Eine unmittelbare Prüfung des fachlichen Inhalts der entwickelten Zertifizierungsprogramme erfolgt jedoch regelmäßig nicht. Die DAkkS GmbH überwacht in diesem Sinne nicht das Vorhandensein eines international anerkannten Prüfungskatalogs für Immobilienbewertungen auf der Grundlage anerkannter Wertermittlungsnormen oder anerkannter Kriterien zur Beurteilung von Immobilienwertgutachten oder gibt diese vor, zumal die Aufgabe der DAkkS GmbH nicht in der Entwicklung oder Erforschung anerkannter Normen besteht. Ebenso wird die fachliche Kompetenz der Prüfer nicht unmittelbar durch eine Prüfungskommission der DAkkS GmbH überprüft, sondern gemäß den Zertifizierungsprogrammen von den Zertifizierungsstellen selbst überwacht.
Aus diesem Grund gehen neuere Trends dahin, dass die Zertifizierungsstellen die eigenen Zertifizierungsprogramme tlw. auch berechtigt gegeneinander abgrenzen und bewerben. Auch einen wirtschaftlichen Hintergrund wird man hierbei nicht gänzlich ausschliessen können.
Zu Ungunsten der Transparenz hat sich dadurch ein Zertifizierungsmarkt mit unterschiedlichen Programmen, Bezeichnungen, Prüfungsinhalten und Prüfungsqualitäten entwickelt, die sich einem durchschnittlichen Verbraucher nicht oder zumindest nicht ohne weiteres erschließen. Insbesondere die für die Überwachung technischer Anlagen bekannten Institutionen haben die sich bietenden Möglichkeiten der Ausweitung auf immobilienwirtschaftliche Vorgänge für sich erkannt.
Hinzu kommt, dass die Zertifizierungsstellen im Bereich der Immobilienbewertung eigene oder durch Mutter/Tochter/Partnergesellschaften durchgeführte Aus- und Weiterbildungsprogramme anbieten, die die Zertifizierung gemäß den eigenen Zertifizierungsprogramme erleichtern. Nicht selten werden von diesen auch zu den selbst zertifizierten Sachverständigen konkurrierende Sachverständigentätigkeiten angeboten.
Die Akkreditierung von Zertifizierungsstellen gemäß DIN EN ISO 17024 soll die Möglichkeiten zur Qualifikation im Rahmen der Umsetzung von EU-Recht ergänzen. Als gleichwertiger Ersatz für die öffentliche Bestellung und Vereidigung ist sie aufgrund der fehlenden gesetzlichen Möglichkeiten jedoch nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber und damit auch die Bundesregierung und die Bundesländer als Gesellschafter der DAkkS GmbH haben dies mit der Einführung des §36a GewO verdeutlicht und eine gesetzliche Regelung beibehalten. Die öffentliche Bestellung und Vereidigung und die Zertifizierung durch eine gemäß DIN EN ISO 17024 akkreditierte Stelle werden rechtlich u.a in den Urteilen 3 A 834/11 des Oberverwaltungsgerichts Sachsen bzw. Bundesverwaltungsgerichts 8 B 61/13, 7 LA 220/07 des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen als auch 3 K 6614/12 des Verwaltungsgerichts Düsseldorf gegenübergestellt.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die DIN EN ISO 17024 lediglich einen Normcharakter hat bzw. eine Definition wiedergibt. Es ist ohne weiteres möglich, dass auch eine nicht akkreditierte Stelle ein mit der DIN EN ISO 17024 vergleichbares Vorgehen für sich beansprucht und auch dementsprechende Zertifizierungen ausstellt. Urteil 26 U 9/15 des Oberlandesgerichts Köln
REV, Chartered Surveyor
In einigen Fällen werden auch die Qualifikationen REV bzw. Recognized European Valuer (TEGOVA) und Chartered Surveyer (RICS) angetroffen. Die Strukturen der Qualifikationen sind der Zertifizierung gemäß DIN EN ISO 17024 ähnlich. Anstatt der DAkkS GmbH überwachen die europa- und weltweit agierenden Organisationen TEGOVA (The European Group of Valuers Associations) und RICS (Royal Institution of Chartered Surveyors) die Einhaltung von standesgemäßen Regeln und Weiterbildungspflichten durch akkreditierte Stellen.
Diesbezügliche Grundlagen befinden sich in einem sogenannten "Red Book" (RICS) oder "Blue Book" (TEGOVA), die in ihrem Stellenwert mit DIN-, EN- oder ISO-Normen vergleichbar sind, jedoch ausschließlich die Immobilienbewertung abdecken.
Im Unterschied zur DAkkS GmbH haben die TEGOVA mit Sitz in Brüssel sowie die RICS mit Sitz in London einen speziell immobilienbezogenen bzw. immobilienwirtschaftlichen Hintergrund.
Sonstige Qualifikationen
Daneben sind Qualifikationen möglich, die weder gesetzlich noch normativ geregelt sind. Hierbei werden nahezu sämtliche qualitätsbeschreibenden Begriffe bemüht, deren Verwendung nicht unmittelbar gegen geltendes Recht verstoßen. Es werden jedoch bei überzogenen oder falschen Formulierungen und entsprechenden Klagen auch Verstöße gegen unlauteren Wettbewerb gemäß UWG festgestellt. (z.B. Urteil des Landgerichts Kiel 14 O 59/08)
Nicht selten sind Versuche, einen qualitativen Vergleich zu der öffentlichen Bestellung und Vereidigung herzustellen, ohne eine unmittelbare Verwechselungsgefahr hervorzurufen. Hierbei werden oftmals die Bezeichnungen "öffentlich", "bestellt" oder Begriffe aus dem Tenor des Bestellungsbereichs (z.B. Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken) verwendet, ohne den genauen Wortlaut wiederzugeben. Je nach Erfordernis werden auch darüber hinausgehende und bessere Eignungen versprochen.
Unmittelbar geahndet wird die unbefugte Verwendung der Bezeichnung der öffentlichen Bestellung und Vereidigung. Gemäß §132a Strafgesetzbuch wird die unbefugte Führung der Bezeichnung, wie auch bei Amtsbezeichnungen und akademischen Graden, mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. Dies gilt auch für zum Verwechseln ähnliche Bezeichnungen.
Bei der Verwendung des Begriffs "Diplom-Sachverständiger" ist zwar eine Verwechselung mit den einschlägigen akademischen Graden wie beispielsweise Dipl.-Ing. oder Dipl.-Ing.(FH) durchaus denkbar, zumal die entsprechenden Urkunden von sogenannten AN-Instituten oder sonstigen privaten hochschulnahen Institutionen mit rechtlich und wirtschaftlich unabhängigem Status oder Fachschulen vergeben werden. Bisher wurden jedoch keine rechtlichen Bedenken geäußert.
Inhalt, Zweck, Zulassungsvoraussetzungen und Kosten der Kurse sind ähnlich der Personenzertifizierungen sehr unterschiedlich und können auf den Internetseiten der Vereine, Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder den Fachschulen entnommen werden.
Häufig werden von diesen Institutionen auch gleichgeschaltete oder anschließende "öffentlich rechtliche Zertifizierungen" angeboten, die zwar eine Mischung aus öffentlicher Bestellung und Vereidigung und der Zertifizierung gemäß DIN EN ISO 17024 implizieren, jedoch nicht mit diesen Qualifikationen verwechselt werden sollten. Gesetzliche oder genormte Regelungen sind auch hier nicht vorhanden.
Die Ausstellung sowie eine zu Werbezwecken dienliche Veröffentlichung eines öffentlich-rechtlichen Zertifikats über die erfolgreiche Teilnahme an Präsenzveranstaltungen einer öffentlichen rechtlichen Institution ist in diesem Zusammenhang rechtlich unbedenklich.
Ein Regel- oder Vollzeitstudium mit den Abschlüssen Bachelor oder Master im Bereich der Immobilienbewertung werden nur an sehr wenigen (Fach-)Hochschulen angeboten. Das Studium wird i.d.R. als Wirtschaftsingenieur abgeschlossen. Im Bereich der Geodäsie und Geoinformation ist an einigen Universitäten die Immobilienbewertung Teil der Fachprüfung.
Keine Qualifikationen
Sachverständige ohne jegliche Qualifikation werden weitverbreitet als "freie" Sachverständige oder Gutachter bezeichnet. Mit "frei" soll hier der Bezug zur freien Selbsternennung oder die Ernennung durch freie private Verbände/Vereine oder Organisationen gemäß einer Vereinssatzung, Geschäftsordnung o.ä. hergestellt werden.
Keine Qualifikation sind auch die gelegentlich anzutreffenden und irreführenden Bezeichnungen "staatlich anerkannter Immobiliengutachter", "Gerichtsgutachter" oder auch "von der IHK zertifizierter Gutachter", insbesondere wenn mit einem Zertifikat lediglich die Anwesenheit bei einem immobilienwirtschaftlichen Kurs der Industrie- und Handelskammer im Rahmen staatlich geförderten Weiterbildungszentren attestiert wurde.
Unter einem Bausachverständigen wird in diesem Zusammenhang und in erster Linie ein Sachverständiger für Baumängel- und Bauschäden verstanden, der regelmäßig nur dann Verkehrswertgutachten erstellt, wenn er sich zusätzlich als Sachverständiger für Immobilienbewertung bezeichnet. Auch die bei Finanzbehörden zur Grundstücksbewertung angestellten Mitarbeiter werden oftmals und unzutreffend als Bausachverständige bezeichnet.
Staatlich anerkannte Sachverständige sind vorwiegend in den Bereichen Schall-/Wärmeschutz und Standsicherheit von Gebäuden sowie Brandschutz tätig und erfüllen neben den Bauordnungs-/Bauaufsichtsbehörden gesetzliche Vorgaben der Landesbauordnungen hinsichtlich der Genehmigung zur Errichtung baulicher Anlagen.
Immobilienmakler
Immobilienmakler sind per se keine qualifizierte Sachverständige. Die eigentliche Aufgabe besteht in der Vermittlung einer Gelegenheit zu einem Vertragsabschluss und das hierzu erforderliche Anbieten des Vermittlungsgegenstands im Namen eines Auftraggebers nach außen.
Die grundlegenden Zulassungsvoraussetzungen für Makler befindet sich im §34c der Gewerbeordnung (GewO). Demnach erhält ein gewerbetreibenden Makler nach einem entsprechenden Antrag bei der zuständigen Behörde eine Erlaubnis, wenn dieser in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Antrags nicht wegen eines Verbrechens oder einschlägigen Delikts rechtskräftig verurteilt worden ist, in geordneten Vermögensverhältnissen lebt und eine Berufshaftpflichtversicherung vorweisen kann.
Da Immobilienmakler neben den hauptsächlichen Vermittlungstätigkeiten auch weitere Dienstleistungen anbieten, die unmittelbare Auswirkungen auf die hohen Immobilienvermögenswerte haben und auch hier keinerlei Vor- oder Ausbildungen zwingend sind, wurde vom Gesetzgeber mit dem §34c Abs.2a eine Verpflichtung eingeführt, sich in einem Umfang von 20 Stunden innerhalb eines Zeitraums von drei Kalenderjahren weiterzubilden.
Hierzu hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung zum Schutz der Allgemeinheit und der Auftraggeber Vorschriften über den Umfang der Verpflichtungen erlassen, die sich in §15b der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) befinden. Die Weiterbildung muss fachlich entsprechend seiner ausgeübten Tätigkeit erfolgen und kann in Präsenzform, in einem begleiteten Selbststudium, durch betriebsinterne Maßnahmen des Gewerbetreibenden oder in einer anderen vergleichbaren Form erfolgen. Hierzu bieten sich insbesondere Online-Veranstaltungen mit nachvollziehbarer Anwesenheitsdokumentation an. Unter den inhaltlichen Anforderungen an die Weiterbildung ist auch der Punkt "Wertermittlung" wählbar. Die von den Veranstaltern der Weiterbildungskurse ausgegeben Ziele sind unterschiedlich und reichen vom Lesen und Interpretieren eines Gutachtens bis zur selbständigen Bewertung einer realen Immobilie mit anschließender Gruppenbesprechung einschl. Übergabe eines entsprechenden werbewirksamen Teilnahmezertifikats.