Kann man den Verkehrswert selbst berechnen?
Ratgeber Bewertung
Mit der Eingabe des Begriffs in eine Suchmaschine fällt Ihnen möglicherweise folgendes auf: Eine Wertermittlung gibt es sogar kostenlos und es wird fast überall von einer Berechnung gesprochen. Man erhält den Eindruck, dass es so kompliziert und schwierig also nicht sein kann.
Auch die Methoden zur Ermittlung des Verkehrswerts können ohne großen Aufwand in Erfahrung gebracht werden. Prinzipiell sind zur Berechnung auch nur die Grundrechenarten erforderlich. Warum sollte man also den Verkehrswert nicht selbst berechnen können?
Bevor Sie sich ans Werk machen und einen Verkehrswert anhand einer gefundenen Methode berechnen, ist jedoch aus Verständnisgründen in einem ersten Schritt zu klären, was unter einem Verkehrswert zu verstehen ist.
Eine bestehende Definition ist z.B. im §194 des Baugesetzbuchs (BauGB) enthalten. Diese Definition wird auch in den meisten Fällen herangezogen, insbesondere wenn von objektiven marktbezogenen Werten die Rede ist.
Die Definition im §194 des Baugesetzbuchs (BauGB) lautet:
Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der
- in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht
- im gewöhnlichen Geschäftsverkehr
- nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften
- der sonstigen Beschaffenheit
- und der Lage des Grundstücks
- oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung
- ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse
zu erzielen wäre.
Auch andere Interpretationen sind durchaus möglich. Bei "Wertermittlungen" in Online-Portalen und auch in manchen Softwareprodukten wird z.B. ein "Verkehrswert" aus Angebotspreisen in Anzeigen, Inseraten oder Exposés abgeleitet. Hier wird also kein Geschäftsverkehr oder Markt betrachtet, sondern als Verkehrswert der Preis interpretiert, den Anbieter unter verschiedenen eigenen und subjektiven Angaben gerne erzielen würden. Da ein Zutreffen der verschiedenen subjektiven Angaben ohnehin nicht geprüft werden kann, ist auch eine Nachvollziehbarkeit nicht zwingend erforderlich.
Tipp:
Bei der Berechnung eines Verkehrswerts, der nicht gemäß §194 BauGB definiert ist, sollten Sie die Definition und eine mögliche Berechnungsmethode erfragen. Möglicherweise kann hierbei auch der Sinn und Zweck der Berechnung in Erfahrung gebracht werden.
Zur Ermittlung des Verkehrswerts gemäß §194 BauGB wurde eine Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) erlassen, in der die oben gelisteten unbestimmten Begriffe aus der Definition mit Leben gefüllt werden. Desweiteren sind auch Wertermittlungsrichtlinien veröffentlicht worden, die allen in der Grundstückswertermittlung Tätigen zur Anwendung empfohlen werden.
Die Wertermittlungsrichtlinien sind jedermann zugänglich und können schnell und ohne Aufwand z.B. aus dem Internet bezogen werden. Sollten Sie eine Berechnung anhand der Methoden und Grundsätze durchführen wollen, sollte Ihnen auffallen, dass von einer Berechnung nur sehr selten gesprochen wird. Der Grund liegt darin, dass ein Verkehrswert gemäß §194 BauGB nicht lediglich berechnet, sondern ermittelt wird und hierzu auch und vor allem Daten und Gegebenheiten aus dem Grundstücksmarkt bzw. dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr abzuleiten sind. Dies auch der Grund, weshalb im BauGB der Begriff Verkehrswert gewählt wurde.
Richtlinien zur Wertermittlung des Verkehrswerts gemäß §194 BauGB
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat Richtlinien zur Anwendung der Wertermittlungsmethoden veröffentlicht. Dies sind die Sachwertrichtlinie (SW-RL), die Ertragswertlinie (EW-RL) sowie die Vergleichswertrichtlinie (VW-RL).
Bei einer Verkehrswertermittlung kommt es also vordergründig darauf an, wie und auf welche Weise Daten und Gegebenheiten verwertbar aus den Marktverhältnissen abgeleitet und zur Wertermittlung umgesetzt werden können und nicht auf das richtige Einsetzen von Zahlen in eine mathematische Formel.
Auch wenn eine Berechnung eines Verkehrswerts anhand der ImmoWertV und den WertR nicht ohne weiteres möglich ist, können die Verordnung und die Richtlinien jedoch ohne weiteres nachvollzogen werden. Halten Sie sich hierzu folgende einfache und zentrale Frage vor Augen:
An welcher Stelle, auf welche Art und in welcher Größenordnung werden die Marktverhältnisse - also Angebot und Nachfrage - berücksichtigt?
Sobald Sie diese Frage anhand der jeweiligen Wertermittlungsmethode beantworten können - und dem ist so -, wären Sie grundsätzlich auch in der Lage den Hintergrund bei einer Verkehrswertermittlung zu verstehen. Sie wären auch ein Schritt gegenüber denjenigen im Voraus, die behaupten, dass bei einer Sachwertermittlung die Lage oder die Marktgegebenheiten nicht berücksichtigt werden.
Ein Hinweis zum Schluss...
Sollten Sie nach dem Versuch einer eigenen Verkehrswertermittlung ein Gutachten über den Verkehrswert beauftragt haben, fragen Sie bei allen Punkten, die Sie nicht verstanden haben nach. Erst wenn alle Punkte geklärt sind, sollten Sie Entscheidungen aufgrund des Gutachtens erwägen.